Urteil des VG Giessen: Umweltinformationen bei Akteneinsicht vor Ort vollumfänglich kostenlos
1 K 4891/17.Gi vom 04.02.2019, Verwaltungsgericht Giessen, Im Namen des Volkes Urteil
in dem Verwaltungsstreitverfahren
des Herrn A, 35232 Dautphetal – Kläger –
gegen
das Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen – Abteilung IV Umwelt – Marburger Str. 91, 35396 Gießen – RPGi-53.1-77n3600/9-2016/1 – Beklagter-
wegen Streitigkeiten nach dem Umweltinformationsgesetz
hat das VG Gießen, 1. Kammer durch Richterin X als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04. Februar 2019 für Recht erkannt:
Der Kostenbescheid des RP Gießen vom 04.05.2017 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
[Normenkette: § 42 VwGO i.V.m. § 16a HessAGVwGO, Art. 5 Umweltinformations-RL 2003/4/EG, § 11 HUIG; Leitsatz: Auch die innerbehördlichen Vorbereitungsmaßnahmen für eine Einsichtsmaßnahme vor Ort in Umweltinformationen nach HUIG -wie Prüfung und Auslegung des Antrags sowie Abfassen der Antwort/des Bescheides und E-mail Korrespondenz zur Konkretisierung des Antragsbegehrens und Terminabsprache – sind nicht kostenpflichtig. (Formulierungsversuch vom Nichtjuristen Dr. Andreas Matusch )]
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid.
In einer E-mail vom 17.02.2017 an den zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten B. teilte der Kläger u.a. mit, dass mit den Rodungen für den Bau des Windparks Rachelshausen begonnen worden sei, obwohl die Baubeginnsanzeige seines Wissens nach erst am heutigen Tag vorgelegt worden sei. er bitte um Zusendung der Kopie. In einer weiteren E-mail vom 23.02.2017 wies der Kläger darauf hin, dass ihm bei der Rodung für den Standort der Windkraftanlage 3 aufgefallen sei, dass sich in der Nähe eine Höhle befinde, die möglicherweise Behausung oder Versteck seltener Arten sein, und diese zugeschoben gewesen sei. er würde gerne wissen, was die biologische Baubegleitung hierzu protokolliert habe. Ihm sei auch aufgefallen, dass an diesem Standort die Kranauslegerfläche umgeplant worden sei. Hierzu stellt er die Frage, ob die Auswirkungen dieser Planänderung untersucht worden seien.
Mit einer E-mail vom 23.02.2017 leitete der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten die Frage des Klägers bezüglich der bei Windkraftanlagen-Standort 3 vorgefundenen Höhle an das Umweltplanungsbüro weiter und bat die dortigen Mitarbeiter um Mitteilung, ob ihnen dort etwas aufgefallen sei bzw. was es mit der Höhle auf sich habe. Mit Email vom 23.02.2017 wies der zuständige Sachbearbeiter den Kläger darauf hin, dass er Auskünfte zum ÖBB-Protokoll [ökologische Baubegleitung] gewünscht habe, hierfür müsse der Kläger einen Antrag nach dem HUIG stellen.
Der Kläger stellt am 26.02.2017 einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz, die den Bau des Windparks Rachelshausen betrafen. Für seinen Antrag verwendete der Kläger ein Antragsformular, in dem er angab, dass er den Zugang zu den Umweltinformationen „Zerstörung von Horsten u.a. Rotmilan, Zerstörung von Habitaten u.a. Fledermaus, Eulen, Haselmaus, Amphibien und Reptilien“ begehre. Weiter gab er an, dass er auf den Zugang zu Informationen verzichtet, deren Bekanntwerden die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des HUIG geschützten Belange – wie z.B. personenbezogene Daten, geistiges Eigentum, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse – beeinträchtigen könnten, und dass er darum bittet, vorab über die voraussichtliche Höhe der Kosten informiert zu werden, die für die Bereitstellung der begehrten Informationen erhoben werden können. Die Umweltinformationen, die er mit dem Antrag vom 26.02.2017 begehrte, sollten ihm durch Gewährung von Akteneinsicht zugänglich gemacht werden. Bezüglich der Konkretisierung seines Informationsbegehrens verwies er auf seine E-mails an den zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten B..
Mit Schreiben vom 27.02.2017 teilte der zuständige Sachbearbeiter dem Umweltplanungsbüro sowie der Anlagenbetreiberin mit, dass der Kläger Zugang zu den Umweltinformationen „Bericht zur Horstanbringung und –entfernung Mäusebussard“ und „alle bisher vorliegenden ÖBB-Berichte“ begehre und gab ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Frage, ob durch die Bekanntgabe dieser Informationen schutzwürdige personenbezogenen Daten offenbart, Rechte an geistigem eigentum verletzt oder Betriebs-, Steuer- oder Statistikgeheimnisse zugänglich gemacht werden. Mit Email vom selben Tag teilte der Sachbearbeiter dem Kläger mit, dass er die gewünschten Informationen bekommen könne, nachdem die Anhörung der anderen Beteiligten erfolgt sei.
Mit E-mail vom 01.03.2017 teilte das Umweltplanungsbüro mit, dass man mit der Weitergabe der ÖBB-Berichte unter der Bedingung einverstanden sei, dass die Herausgabe ohne die jeweilige Fotodokumentation erfolge und der Kläger einen Verzichtserklärung abgebe, in der er darauf verzichte, die Unterlagen zu vervielfältigen oder zu veröffentlichen. Außerdem solle die Herausgabe der Unterlagen mit einem angemessenen zeitlichen Verzug erfolgen. diesen Bedingungen schloss sich die Anlagenbetreiberin an und erteilte ebenfalls die Zustimmung zur Weitergabe der Informationen an den Kläger.
Dies teilte der Sachbearbeiter dem Kläger per E-mail vom 03.03.2017 mit und wies darauf hin, dass wenn der Kläger die Fotodokumentation gleichwohl sehen wolle, der Kläger sein Interesse hieran begründen müsse. Als Anlage übersandte er dem Kläger eine Verzichtserklärung mit der Aufforderung, diese unterschrieben zurückzusenden. Darauf entgegnete der Kläger, dass er dies für eine Verzögerungstaktik halte, er sehe sich auch nicht in der Pflicht, die gewünschte Erklärung zur Nichtverbreitung der Informationen abzugeben. Im Übrigen habe man Ihm noch immer keine Kostenschätzung zukommen lassen. Mit E-mail vom 06.03.2017 erläuterte die Juristin des Dezernates 53.1 [Frau C.] dem Kläger, warum die Fotodokumentation nach ihrer Auffassung dem Urheberrecht unterliege und wies darauf hin, dass , wenn der Kläger kein Interesse darlege, warum er diese trotzdem sehen wolle, man ihm das gewünschte Gutachten ohne die Fotos zu Verfügung stellen werde.
Mit Schreiben vom 07.03.2017 wurde dem Kläger eine Kostenschätzung zugesandt, in der angegeben wurde, dass für die gewünschte Auskunft voraussichtlich Kosten i.H.v. 219,10 € entstehen werden, die sich aus Gebühren i.H.v.205,00 € für schriftliche Auskünfte ( 4 × 15 min Zeitaufwand zu je 19,25 € und 8 × 15 min Zeitaufwand zu je 16,00 €), Gebühren i.H.v. 12,00 € für das Versenden von Akten und einer Pauschale von 2,10 € für Kopien zusammensetzen. Der Kläger wurde aufgefordert zu bestätigen, ob er an seinem Antrag festhalte.
Daraufhin teilte der Kläger mit, dass er dieses Angebot zurückweisen müsse, er könne nicht nachvollziehen, warum für das Kopieren und Versenden von 21 Seiten Unterlagen 3 Arbeitsstunden angesetzt würden. er bitte nochmals darum, ihm antragsgemäß Akteneinsicht zu gewähren. Per E-mail vom 08.03.2017 teilte der Sachbearbeiter dem Kläger mit, dass er durch sein Verhalten den Arbeitsaufwand gesteigert habe, aufgrund der Unterstellungen des Klägers, dass man „Zeit schinden“ wolle, habe der Sachbearbeiter die Juristin des Dezernats miteinbezogen, weshalb auch deren Arbeitsaufwand mit in die Kostenberechnung eingeflossen sei. Außerdem sei dadurch ein gesteigerter Arbeitsaufwand entstanden, dass durch Geltendmachung des Urheberrechts die Fotografien in den Unterlagen geschwärzt werden mussten. Da der Kläger keine konkrete Art und Weise genannt habe, wie er Akteneinsicht nehmen wolle, habe man angenommen, dass die Form der Übersendung den wenigsten Aufwand für beide Seiten bedeute. Der Kläger teilte nach weiterer E-mail Korrespondenz mit, dass er wünsche, die Unterlagen vor Ort einzusehen.
Mit Bescheid des Beklagten vom 08.03.2017, der von dem Sachbearbeiter B. erstellt worden war, wurde dem Kläger Zugang zu dem Bericht der ökologischen Baubegleitung zur Mäusebussardhorstentfernung und –anbringung am Windpark Rachelshausen (Ziffer 1) und zu den Berichten der ökologischen Baubegleitung am Windpark Rachelshausen vom 17.02.2017, 21.02.2017 und 03.03.2017 (Ziffer 2) zugesichert. Auf Wunsch des Klägers werde die Einsichtnahme vor Ort in der Behörde gestattet, ein Termin werde vereinbart, sobald der Bescheid gegenüber der Anlagenbetreiberin und dem Gutachtenbüro bestandskräftig sei.
Mit Bescheid vom 04.05.2017 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger im Nachgang zu dem Bescheid vom 08.03.2017 Gebühren für die erteilten schriftlichen Auskünfte in Höhe von 205,00 € ( 4 × 19,25 € und 8 × 16,00 €) fest. In der Begründung des Bescheids wurden die Rechtsgrundlagen für die Kostenerhebung angegeben und unter Bezugnahme auf Nr. 111 des Verwaltungskostenverzeichnisses zur allgemeinen Verwaltungskostenordnung mitgeteilt, dass es sich bei den dort geregelten Gebühren für schriftliche Auskünfte um eine Rahmengebühr in Höhe von 30,00 € bis 60,00 € handele. Dieser Rahmen werde mit dem tatsächlich für die Bearbeitung erbrachten Zeitaufwand ausgefüllt und die Gebühr auf 205,00 € festgesetzt. Für die Bearbeitung des Antrags des Klägers sei von allen Beteiligten ein Zeitaufwand von insgesamt 8 Viertelstunden im gehobenen Dienst und 4 Viertelstunden im höheren Dienst erbracht worden. Der Stundensatz ergebe sich aus den Nrn. 14111 und 1412 des Verwaltungskostenverzeichnisses zur Allgemeinen Verwaltungskostenordnung. Die Einsichtnahme vor Ort sei kostenfrei.
Der Kläger hat am 09.06.2017 Klage gegen den Kostenbescheid vom 04.05.2017 erhoben. er macht geltend, dass keine Gebühren für schriftliche Auskünfte vom Beklagten geltend gemacht werden dürfen, da die Auskunft nicht in dieser Form beantragt worden sei. Sein Antrag sei vollständig ausgefüllt und hinreichend konkret gewesen, es sei der Behörde deshalb auch ohne weitere Recherche möglich gewesen, eine klare Entscheidung über seinen Antrag zu treffen. Nach seinem Antrag auf Akteneinsicht habe man ihm zunächst entgegen seines Antrags angeboten, ihm Kopien der jeweiligen Berichte zuzusenden. Da ihm der Betrag in der im Nachgang übermittelten Kostenschätzung überhöht vorgekommen sei, habe er es vorgezogen, Akteneinsicht vor Ort zu nehmen. Da er ausdrücklich auf Informationen nach § 8 HUIG verzichtet habe, könne er nicht nachvollziehen, warum die Behörde dies nochmals ausführlich recherchiert habe. Wenn dem Beklagten hierdurch Kosten entstanden seien, könne man dies ihm, dem Kläger, nicht anlasten, da er dies zu keinem Zeitpunkt gewünscht oder beantragt habe. Im Bescheid vom 08.03.2017 heiße es ausdrücklich, dass der Zugang zu den Informationen durch Einsichtnahme vor Ort erfolge, daher habe er Kostenfreiheit gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 HUIG voraussetzen müssen. In der Kostenschätzung sei unter dem Punkt „Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort“ außerdem ausdrücklich angegeben gewesen, dass diese kostenfrei seien.
Der Kläger beantragt,
den Kostenbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 04.05.2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, es bestehe keine Kostenfreiheit nach § 11 Abs. 1 S. 2 3. Alt. HUIG. Dem Kläger seien Informationen übermittelt worden, der Begriff der Übermittlung sei weit auszulegen. Neben dem Übermittlungsvorgang als solchen seien hierunter auch die Verwaltungshandlungen zu verstehen, die die Auskunftserteilung vorbereiten.
Auch handele es sich nicht um einfache schriftliche Auskünfte. Zunächst sei ein erheblicher Aufwand für die Bearbeitung des Antrags des Klägers dadurch entstanden, dass er zur Konkretisierung seines Antrages auf mehrere umfangreiche E-mails Bezug genommen habe, so dass der Beklagte zunächst den Antrag habe erfassen und das Antragsziel ermitteln müssen. Nachdem sich herauskristallisiert habe, dass der Kläger Einsicht in die Berichte der ÖBB begehre, habe der zuständige Sachbearbeiter zunächst das Gutachterbüro und den Windparkbetreiber anhören müssen, um die Ausschlusstatbestände des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HUIG zu prüfen.
Diese Pflicht bestehe auch dann, wenn der Antragsteller auf Zugang zu diesen Informationen verzichte. Der Kläger habe dann mehrere E-mails geschickt, die der zuständige Sachbearbeiter umfassend beantwortet habe, als der Kläger dessen Ausführungen nicht akzeptiert habe, habe sich dieser gezwungen gesehen, die Juristin des Dezernats Frau Bernstein mit in die rechtliche Würdigung einzubeziehen. Außerdem seien interne Gespräche mit dem Verfahrensführer des Dezernats, Herrn D. notwendig gewesen, sowie ausgiebige juristische und fachliche Recherche. Außerdem habe er, der Sachbearbeiter, Zeit aufwenden müssen, um den Bescheid zu erstellen. Die Höhe der Kosten sei auch angemessen, sie entspreche dem entstandenen Verwaltungsaufwand. Herr B. als Mitarbeiter des gehobenen Dienstes habe zwei Zeitstunden aufgewendet. Da der Kläger das Bestehen von Urheberrechten bezweifelt habe, habe er Frau C. um juristische Prüfung gebeten, diese sei auch in die Erstellung des Bescheides involviert gewesen und habe eine Zeitstunde aufgewandt. Die Gebühr wirke auch nicht prohibitiv, dies zeige sich daran, dass der Kläger trotz Kostenschätzung an seinem Antrag festgehalten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Behörden-vorgangs (1 Hefter) Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung erfolgt gem. § 6 VwGO durch die Einzelrichterin, nachdem dieser der Rechtsstreit durch Beschluss vom 19.10.2018 übertragen wurde.
Die zulässige Klage hat Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 I, 1. Alt. VwGO) zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 68 I 2 VwGO i.V.m. § 16 a II 1 HessAGVwGO ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil der angefochtene Verwaltungsakt vom RP Gießen erlassen wurde. Zudem ordnet § 9 I 2 HUIG an, dass bei Streitigkeiten nach diesem Gesetz ein Vorverfahren gemäß § 68 VwGO nicht stattfindet.
Die Klage ist begründet.
Der Kostenbescheid des Beklagten vom 04.05.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 I 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für die Erhebung der mit Bescheid vom 04.05.2017 erhobenen Kosten i.H.v. 205,00 € kommt allein § 11 I 1 HUIG i.V.m. § 1 I 1 HvwKostG in Betracht. Nach § 11 I 1 HUIG werden für die Übermittlung von Informationen aufgrund dieses Gesetzes Kosten nach Maßgabe des HVerwKostG erhoben. § 11 I 2 HUIG bestimmt jedoch, dass die Erteilung mündlicher und einfacher schriftlicher Auskünfte sowie die Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort kostenfrei sind.
Der angefochtene Bescheid ist materiell rechtswidrig, da dem Kläger die begehrten Umweltinformationen durch Einsichtnahme vor Ort zugänglich gemacht wurden, die nach § 11 I 2 3.Alt. HUIG keine Kostenplicht begründet.
Hierfür spricht zunächst der ausdrückliche Wortlaut des § 11 HUIG. Denn Abs. 1 s. 1 und Abs. 1 S. 2 stehen zueinander in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Während § 11 I 1 HUIG regelt, dass für die Übermittlung von Umweltinformationen Kosten erhoben werden und somit eine grundsätzliche Kostenpflicht für die Übermittlung von Umweltinformationen beinhaltet, regelt § 11 I 2 HUIG, dass die Erteilung mündlicher und einfacher schriftlicher Auskünfte sowie die Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort, die Maßnahmen und Vorkehrungen nach § 5 I und II sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach § 10 kostenfrei sind. Da § 11 I 2 HUIG keinerlei Einschränkungen, etwa im Sinne eines „es sei denn“ oder „gilt mit der Maßgabe“ enthält, ist anhand des Gesetzeswortlautes davon auszugehen, dass die Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort uneingeschränkt kostenfrei ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann es für die Anwendung der Vorschrift nicht maßgeblich darauf ankommen, welchen konkreten Verwaltungsaufwand die Behörde, die über die begehrten Informationen verfügt, nicht nur für die Bereitstellung bzw. die Übermittlung der Informationen als solche, sondern insbesondere auch für die Vorbereitung der Einsichtnahme in di Informationen vor Ort hat. Für diese Auffassung mag zwar zunächst sprechen, dass im Falle einer Übermittlung der Informationen durch Übersendung in Literatur und Rechtsprechung Einvernehmen darüber besteht, dass der Begriff der „Übermittlung“ i.S. d. § 11 I 1 HUIG weit zu verstehen ist und Kosten auch für diejenigen Verwaltungshandlungen erhoben werden dürfen, die die Vorabprüfung des Informationsbegehrens, die Ermittlung und Beteiligung der zuständigen, über die begehrten Informationen verfügenden Fachabteilungen, die Erarbeitung des Bescheids bzw. die Abfassung des Antwortschreibens sowie die Korrespondenz mit dem Antragsteller und etwaigen Drittbetroffenen betreffen (vgl. OVG NRW, B.v. 18.02.2009 – 9 A 2428/08, juris Rn. 6; Reidt/Schiller, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. I § 12 UIG Rn. 17; Schomerus, in Schomerus/Schrader/Wegener, Umweltinformationsgesetz, Handkommentar, 2. Auflage, § 10 Rn. 27). Denn wie die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Recht angemerkt hat, wäre die Folge einer vollständige Kostenfreiheit bei einer Einsichtnahme in die Informationen vor Ort, dass dem Informationsbegehrenden ein Wahlrecht dahingehend eingeräumt würde, dass er wählen kann, ob er die Informationen vor Ort einsieht und keinerlei Kosten zu tragen hat oder ob er sich die Informationen beispielsweise übersenden lässt und die Behörde gegenüber dem Kläger Kosten geltend machen darf, die den Verwaltungsaufwand für vorbereitende Maßnahmen mit umfassen.
Dies hätte zur Folge, dass der Verwaltungsaufwand, insbesondere was vorbereitende Maßnahmen wie die rechtliche Prüfung des Antrags betrifft, zwar im Wesentlichen derselbe ist, unabhängig davon, ob der Beklagte dem Kläger die gewünschten Informationen per Post zuschickt oder ob der Kläger die Informationen vor Ort der Behörde einsieht, dieser Aufwand dem Informationsbegehren-den jedoch nur dann in Rechnung gestellt werden kann, wenn er keine Einsichtnahme in die Informationen vor Ort wünscht. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst naheliegend § 11 I 2 HUIG dahingehend auszulegen, dass die Kostenfreiheit allein der Einsichtnahme vor Ort an sich betrifft, nicht jedoch Verwaltungsaufwand der Behörde für die Vorbereitung dieser Einsichtnahme.
Gegen dies Auslegung spricht zunächst der Wortlaut. Wie bereits ausgeführt enthält § 11 I 2 HUIG keinerlei Einschränkungen. Im Übrigen kann § 11 I 2 3. Alt. HUIG nicht isoliert von den anderen Alternativen des § 11 I 2 HUIG betrachtet werden, bei deren Vorliegen Kostenfreiheit angeordnet wird. Insbesondere hinsichtlich der 2. Alternative „einfache schriftliche Auskünfte“ ist in der Rechtsprechung geklärt, dass bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen die Informationsübermittlung kostenfrei ist und ein Rückgriff auf § 11 I 1 HUIG verwehrt ist.
Ein weiteres Argument gegen diese Auslegung ist, dass wenn allein die Einsichtnahme vor Ort an sich kostenfrei wäre, § 11 I 2 3. Alt. HUIG weitestgehend ins Leere liefe. denn unabhängig von der gewählten Form der Übermittlung der Umweltinformationen liegt der Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit stets auf der Vorbereitung der tatsächlichen Einsichtnahme durch den Informationsbegehrenden, nicht auf der Einsichtnahme an sich. Es würde sich somit die Frage stellen, welcher Verwaltungsaufwand überhaupt für die tatsächliche Einsichtnahme vor Ort anfiele und dann von der Kostenfreiheit erfasst wäre, hierzu macht auch der Beklagte keine Ausführungen. Kopierkosten habe man aus Kulanz nicht geltend gemacht, obwohl die Unterlagen dem Kläger kopiert worden seien.
Darüber hinaus ist eine Kostenerhebung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 I 2 3. Alt. HUIG für Verwaltungshandeln, das die Auskunftserteilung vorbereitet, aus Sicht der Einzelrichterin mit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers unvereinbar. Sinn und Zweck des HUIG ist es, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung von Umweltinformationen zu schaffen, vgl. § 1 I HUIG. Die Umweltinformationsgesetze des Bundesund der Länder setzen insoweit die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates – Richtlinie 2003/4/EG [EU-Umweltinformationsrichtlinie] – um. die Richtlinie 2003/4/EG enthält in Art. 5 eine Regelung zu Gebühren, in der es heißt:
„(1) Der Zugang zu öffentlichen Verzeichnissen oder Listen, die gemäß Artikel 3 Absatz 5 eingerichtet und geführt werden, und die Einsichtnahme in die beantragten Informationen an Ort und Stelle sind gebührenfrei.“
Die Begründung für diese Regelung wird in der Richtlinie nicht offengelegt, in Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2003/4/EG werden lediglich Ausführungen zu Angemessenheit und Transparenz einer Gebühr gemacht. Der Bundesgesetzgeber nimmt in seiner Begründung zu § 12 I UIG, dessen Wortlaut mit § 11 I HUIG nahezu identisch ist, bezüglich der in S. 2 geregelten Ausnahmen von der Kostenpflicht lediglich Bezug auf Art. 5 I der RL 2003/4/EG (vgl. BT-Drucksache 15/3406, S. 22). Weiter wird ausgeführt, dass die Einsichtnahme vor Ort die tatschliche Einsichtnahme „an Ort und Stelle einschließlich der notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen“ umfasst; „wir im Zusammenhang mit der Einsichtnahme auch die Herausgabe von mehr als nur wenigen Duplikaten beantragt, wir hierdurch ein neuer Gebührentatbestand eröffnet, der nicht mehr durch die gebührenfreie Einsichtnahme vor Ort abgedeckt ist.“ (vgl. BT-Drucksache 15/3406, a.a.O.).
Die Begründung des hessischen Gesetzgebers ist insoweit identisch (vgl. Hessischer Landtag, Drucksache 16/5407, S. 20). Insofern entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass nicht nur die Einsichtnahme an Ort und Stelle für sich genommen kostenfrei ist, sondern auch die hierfür notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen mit von der Kostenfreiheit umfasst werden sollen. Wenig überzeugend ist vor diesem Hintergrund der Auslegungsvorschlag der Beklagtenvertreterin, dass mit „Vorbereitungsmaßnahmen“ nur diejenigen Maßnahmen gemeint seien, die die tatsächliche Einsichtnahme vor Ort unmittelbar vorbereiten. Da der Gesetzgeber in seiner Begründung keinerlei Unterscheidung trifft zwischen Vorbereitungsmaßnahmen im engeren oder weiteren Sinne und insofern nur von „notwendigen“ Vorbereitungsmaßnahmen spricht, kann eine solche Unterscheidung auch nicht getroffen werden. Als für die Einsichtnahme vor Ort notwendig kann jedes Verwaltungshandeln eingestuft werden, dass die Einsichtnahme vorbereitet, notwendige Vorbereitungsmaßnahme für die Einsichtnahme ist letztendlich auch die Auslegung und Prüfung des Antrages nach HUIG und die Erstellung des Bescheides, da ohne diese Maßnahmen eine Einsichtnahme nicht erfolgen kann, da ohne sie unklar bliebe, welche Informationen überhaupt vor Ort zur Einsichtnahme bereit gelegt werden sollen.
Nach alledem durfte der Beklagte für die dem Kläger gewährte Einsichtnahme in die von diesem begehrten Umweltinformationen vor Ort keine Kosten erheben, da die Voraussetzungen des § 11 I 2 3. Alt. HUIG vorliegen. Ein Rückgriff auf § 11 I 1 HUIG – wie dies der angefochtene Bescheid durch seine Unterscheidung in „1. Gebühren für schriftliche Auskünfte“ und „3. Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort“ suggeriert- um denjenigen Verwaltungsaufwand, der für die Vorbereitung der §Einsichtnahme vor Ort angefallen ist, doch nicht als Kosten geltend zu machen, ist dem Beklagten verwehrt, da § 11 I 2 HUIG und § 11 I 1 HUIG nicht nebeneinander anwendbar sind. Beide Vorschriften für die Kostenfestsetzung nebeneinander anzuwenden, wäre systemwidrig, da diese im Regel-ausnahme-Verhältnis zueinander stehen und es somit eine Umgebung der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Kostenfreiheit wäre, wenn die informationspflichtige Stelle trotzt Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 I 2 HUIG Kosten für schriftliche Auskünfte geltend machen würde. Der Gesetzgeber eröffnet in der Gesetzesbegründung lediglich eine einzige Möglichkeit für das Bestehen eines Gebührentatbestandes neben der Kostenfreiheit des § 11 I 2 HUIG. Dieser neue Gebührentatbestand sollte dann eröffnet sein, wenn der Informationsbegehrende die Herausgabe von „mehr als nur wenigen Duplikaten“ beantrage. Ein solcher Gebührentatbestand wurde vorliegend jedoch nicht in Anspruch genommen. Wie die Beklagte in seinem Schriftsatz vom 17.07.2017 ausführt, habe man aus Kulanz darauf verzichtet, Auslagen für Kopien geltend zu machen.
Da der Beklagte unterliegt, hat er gemäß § 154 I VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtmittelbelehrung [….]
Beschluss: der Streitwert wird auf 205,00 € festgesetzt. Gründe [….] Rechtmittelbelehrung [….]
Niederschrift über die öffentliche Sitzung der 1. Kammer, [Rubrum s.o.]
Gegenwärtig: Richterin X als Einzelrichterin als Berichterstatterin, zugleich die Protokollführung übernehmend. Das Protokoll wird auf Datenträger aufgezeichnet. Es wird darauf hingewiesen, dass von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zum Zwecke der Protokollführung abgesehen wird.
Bei Aufruf der Sache um 9h32 erscheint der Kläger in Person. Für das beklagte Land Hessen erscheint: Regierungsoberrätin E., unter Hinweis auf ihre bei Gericht hinterlegte Generalvollmacht. Weiter erscheint technischer Amtsrat B..
Dem Gericht liegen vor und werden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht:
- die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenvorgänge (1 Hefter)
Sodann trägt die Einzelrichterin den wesentlichen Akteninhalt vor. Die Sach- und Rechtslage wird mit den Beteiligten ausführlich erörtert. Der Kläger stellt den Antrag aus der Klageschrift vom 08.06.2017 (Bl. 1 d. GA). Die Beklagten-Vertreterin beantragt, die Klage abzuweisen.
Beschlossen und verkündet: Die Verkündung einer Entscheidung wird durch Zustellung ersetzt. Die mündliche Verhandlung wird um 10h30 geschlossen.
gez. X Für die Richtigkeit der Übertragung: Y Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Es ist unglaublich, wie die schwarz-grüne Landesregieurng und speziell die grünen Minister mit den Bürgerrechten umgehen und wie der Naturschutz marginalisiert wird.
Man fragt sich zunehmend, ob Politik und Verwaltung noch den Begriff „Rechtsstaat achten“.
Man kann von Glück sagen, dass es fachkompetente Richter gibt. Ansonsten wären wir von tw. völlig fachfremden und inkompetenten PolitikerInnen verursacht schon in einer ineffizienten Öko-Diktatur gelandet.
Vielleicht sollte man einmal positiv hervorheben, dass die Richterin sich, ganz im Sinn des Umweltinformationsgesetzes, nicht auf die Seite des Stärkeren (des RP) gestellt hat, sondern dem nach Informationen suchenden Bürger zu seinem Recht verholfen hat. Das ist ein Fortschritt gegenüber den Zuständen vor Gültigkeit des HUIG