„Wind stinkt nicht“ – alles über die Ron-Wolfshäuser Windräder
Am Dienstag, dem 19.12.2017 informierte der Ortsbeirat (OBR) Wolfshausen etwa 80 Zuhörer über geplante Windräder im Wald oberhalb des Ortes im Vorranggebiet 3135 („Rothlauf“). Ortsvorsteher Wege und Mitwirkende um Architekt Reese hatten keine Kosten und Mühen gescheut und aktuelle Informationen beim Projektierer WPD (Bremen, Projektleitung bei der Niederlassung in Kassel) eingeholt, sich bereits umfassend in die Thematik eingearbeitet, Photos der benachbarten Hassenhäuser Anlagen gemacht und daraus eine Präsentation zusammengestellt.
In sehr ausgewogener Weise stellte er die unterschiedlichen Interessenlagen dar. Weder könne man einzelnen Waldinteressenten vorwerfen, dass sie Möglichkeiten zur Aufbesserung ihrer mitunter spärlichen landwirtschaftliche Rente prüfen und sich offenhalten, noch von den Projektierern erwarten, dass sie ihre Pläne frühzeitig einer breiteren Öffentlichkeit darlegen. Als Ortsteil befinde man sich am Ende einer Kette von gesetzlichen und planerischen Vorgaben und Entscheidungen, welche unter dem Oberbegriff „Energiewende“ firmierten. Einerseits stinke Wind nicht, und die Anlagen stießen nicht fortlaufend Schadstoffe aus, andererseits beeinträchtigten permanente Geräusche Wohnkomfort, Naherholung und möglicherweise die Gesundheit. Der Anblick trage nicht zur Schönheit des Landschaftsbildes bei. Bereits am 03.03.2015 habe sich der Ortsbeirat gegen die Ausweisung des Vorranggebietes ausgesprochen.
Im Einzelnen plane WPD derzeit bis zu 6 Anlagen vom neusten Typ Vestats V150 mit 150 m Rotor auf 166 m Nabenhöhe, d.h. 166 m + 75 m = 241 m Gesamthöhe und je 4.0 bis 4.2 MW Nenn-leistung an den Standorten in Abb. 1. Genaue Standorte, Typ und Zahl der Anlagen werden derzeit noch hinsichtlich Immissionsschutzrecht, Naturschutz, Technik und Wirtschaftlichkeit optimiert. Die Zuwegung sei derzeit über Ronhausen wie in Abb. 1 vorgesehen. Die Unterlagen für den immissions-schutzrechtlichen Genehmigungsantrag befänden sich in weit fortgeschrittenem Bearbeitungsstadium und würden voraussichtlich Ende des II. Quartals 2018 beim Dezernat Immissionsschutz I des Regierungspräsidiums Gießen eingereicht.
Aus dem Publikum wurde darauf hingewiesen, dass in den letzten 2-3 Jahren im Gelände auffällig viele Altbäume gefällt wurden und in den letzten Wochen drei Zufahrten zu regelrechten Waldautobahnen ausgebaut worden seien (mit ca. 3,5 m Breite, verdichteter profilierter Kiesdecke und Seitengräben, vgl. Abb. 2).
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch einen Erfahrungsbericht von Andreas Knoll von der BI Holzhausen, wie es einer Gemeinde in den mittlerweile 6 Jahren nach dem Bau von Großwindrädern in ca. 1 km Abstand von der Wohnbebauung ergangen ist. Der nächtliche Geräuschpegel sei im Mittel von 25 dB(A) vorher um das 5-fache auf 40 dB(A) angestiegen, vielfach werde der für das dortige Wohngebiet gültige Grenzwert von 40 dB(A) auch überschritten. Trotz ausdrücklicher Anweisung in der Anlagengenehmigung zur Überprüfung der Geräuschimmissionen durch eine nach § 26 BImSchG bekanntgegebene Stelle auf Kosten des Betreibers spätestens nach einem Jahr, seien bislang keine behördlichen Daten verfügbar. Entgegen Aussagen des Kreisbrandinspektors Lars Schäfer vor Genehmigung habe er vor kurzem zeitungsöffentlich erklärt, dass die Brandschutzvorkehrungen und insbesondere die Löschwasserbereitstellung unzureichend seien und daher müsse die Gemeinde ein neues Feuerwehrfahrzeug für 150.000€ anschaffen. Dies sei später auch erfolgt. Bemerkenswert war die Beobachtung, dass die Brummgeräusche und Vibrationen der Anlagen bei geschlossenem Fenster viel besser wahrnehmbar seien und als störend empfunden werden, als bei offenem Fenster. Tieffrequente Störgeräusche dringen auch durch Fenster und Mauern gut ein, die Überdeckung durch hochfrequentes und neutral empfundenes Hintergrundrauschen entfällt aber bei geschlossenem Fenster. Es folgte eine eindrückliche Dokumentation von unzähligen Fledermausschlagopfern und Life-Aufnahmen der Schredderung eines Raubvogels durch einen Rotor auf dem Hilsberg, womit nachweislich auch im Einzelfall ein Tötungstatbestand nach § 44 BNatSchG verwirklicht wäre. Schließlich wies er darauf hin, dass Wechsel und Insolvenz des Betreibers nach Ende der Laufzeit mittlerweile praktisch der Regelfall sei und die Flächeneigentümer dann auf den Rückbaukosten sitzen blieben.
Hintergrund
Auch in VRG3135 ist zu erwarten, dass nicht WPD selbst die Anlagen betreiben wird, sondern z.B. eine Bürgerenergiegesellschaft mit mindestens 10 Bürgern als einflussarmen Kommanditisten und einer WPD-Tochter-GmbH als tonangebender Komplementärin.
Bisherige Information der Öffentlichkeit
Aus vergleichbaren Projekten ist anzunehmen, dass auch in VRG3135 mindestens seit 2014 projektiert wird. Anstelle frühzeitiger Information einer breiten betroffenen Öffentlichkeit wie etwa über Internet, Aushänge, Mitteilungsblätter oder Zeitung wurden die Planungen dagegen nur andeutungsweise gegenüber Wenigen erwähnt, so auf einer Veranstaltung in Argenstein in der ersten Septemberwoche 2017 und im OBR Bortshausen am 17.11.2017. In der Sitzung des Umweltausschuss Weimar am 05.09.2017 war u.a. Herr Frank Kralik (Roth) als Vorsitzender einer Eigentümergemeinschaft von Waldflächen genannt worden. Da die Gemeinde Weimar dort Miteigentümerin (2/110) ist, war sie spätestens bei Abstimmung der Vorverträge in der Eigentümerversammlung eingeweiht.
Eigentumsverhältnisse
Aus der Überlagerung der Standortskizze von WPD, der Grenzen des Vorranggebietes aus dem Regionalplanungsportal und dem Grundstückskataster (Abb. 3) und Eigentümerauskunft (Anlage 1) ergeben sich weiterhin folgende Eigentumsverhältnisse:
Auf Flächen der Roth-Argenstein-Wenkbacher Waldinteressenten in Flur 4 stehen Windenergieanlagen WEA2 (Flurstück 25/4), WEA4 (Flst. 14/1) und WEA5 (Flst. 43/5). Das Eigentum ist in 110tel Anteile unterteilt, die Summe ergibt korrekt eins. Eigentümer sind 89 natürliche Einzelpersonen (99½/110), 6 Erbengemeinschaften (14 Erben, 8½/110) und die Gemeinde Weimar (2/110). Mindestens 47½/110 entfallen auf Röther, 20½/110 auf Wenkbacher und 17/110 auf Argensteiner Familien, nur 1/110 auf Wolfshäuser. Auf Gemeinderatsmitglieder entfallen: Kurt Adam Barth, SPD, Gemeinderatssprecher, Wenkbach 1/110, Reiner Pfeffer, CDU, Roth 4/110; auf Nachrücker für den Gemeinderat: Otto Weimar, CDU, Roth 2/110; Heinrich Lipinski, FBW, Argenstein 1/110. Gerhart Fett (1/110) gehörte vor 2016 dem Ortsbeirat Bortshausen an und ist zusätzlich Alleineigentümer von 1,4 ha im Bortshäuser Teil von VRG3135. Weiterhin besteht u.a. aufgrund etlicher Namensgleichheiten der hochgradige Verdacht, dass weitere Gemeinderatsmitglieder enge Verwandte und ggf. Erbberechtigte von Eigentümern sind bzw. zu diesen in engstem Abhängigkeitsverhältnis stehen.
Auf der Großparzelle Flurstück 2 in Flur 5 in der Gemarkung Marburg Ronhausen stehen WEA3 und WEA5. Das Grundstück gehört den Ronhäuser und Bortshäuser Waldinteressenten. Das Eigentum ist in 48tel Anteile unterteilt, jedoch ergibt die Summe 51/48, so dass von den Pachteinnahmen 3/48 mehr verteilt werden müssen als hereinkommen. Eigentümer sind 29 natürliche Einzelpersonen aus 16 Familien. 25 Anteile entfallen auf Ronhäuser und 18 Anteile auf Bortshäuser. Die beiden stellvertretenden Ortsvorsteher von Ron- bzw. Bortshausen Uwe bzw. Jochen Rauch halten je 2/48, der Nachrücker für Bortshausen Dirk Rohrbach 1/48. Vor 2016 war ferner Hans-Konrad Wenz (1/48) Mitglied des Ronhäuser OBR.
Der Turm von WEA1 soll nach derzeitiger Skizze von WPD auf Flurstück 3/2, Flur 5, knapp im Eigentum von einer Person aus Wolfshausen stehen, exakt auf der Grenzlinie des Vorranggebietes und mit den Flügeln über Flst. 26/3, Flur 4 der Röther Waldinteressenten.
Die Zuwegung, wie derzeit von WPD skizziert, liefe über Feldwegegrundstücke im Eigentum der Stadt Marburg und Waldwege der Ronhäuser bzw. Röther Waldinteressenten zu den Anlagen 2, 3, 6. Für das jeweils letzte Stück zu den Anlagen 1, 4, 5 müssten zusätzlich Wege der Gemeinde Weimar ausgebaut und in Anspruch genommen, bei alternativer Trassenführung mindestens gequert werden. Topographisch viel näher liegt eine Lösung mit einer Behelfsausfahrt von der B3A in Höhe des Motocross-Geländes, ähnlich wie zum Windpark Hassenhausen. Hier müssten allerdings neben vorgenanntem Flst. 3/2 noch zusätzlich 3 Privatgrundstücke je unterschiedlicher Eigentümer ohne Überschneidung mit den Vorgenannten durchquert werden.
Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern
Die Abstimmung im Rat der Gemeinde Weimar über die Stellungnahme zum Teilregionalplan Energie Mittelhessen am 21.03.2013 (TOP4) wurde vom Miteigentümer und Gemeinderatsvorsitzendem Kurt Adam Barth (1/110, SPD) geleitet. Er und der Miteigentümer Reiner Pfeffer (4/110, CDU) stimmten mit ab. Gleiches gilt für den Auftrag an den Gemeindevorstand zur Identifikation von Eignungsflächen, beschlossen als TOP 10 in der Sitzung vom 08.09.2011 und für die Abstimmung vom 28.09.2006 über die Stellungnahme zum Regionalplan Mittelhessen 2010 (RPM2010) im Rahmen der ersten Offenlage. Dreister konnte nicht mehr gegen § 25 HGO verstoßen werden. Da der RPM2010 hinsichtlich der Windenergievorranggebiete von der Stadt Alsfeld mit Urteil des VGH Kassel vom 10.05.2012 (4 C 841/11.N) für unwirksam geklagt worden war, musste erneut das gesamte Regionalplanungsverfahren durchlaufen werden, was im nun genehmigten Teilregionalplan Energie Mittelhessen 2017 seinen Niederschlag fand. Zumal die Grenzziehung der VRG in den Gemeinde-räten eher nicht neu beraten wurde, waren die Beratungen aus 2006 und davor ergebniserheblich.
Standorte und Visualisierung
Überträgt man die Anlagenstandorte wie vom Projektierer im Messtischblatt eingezeichnet ins UMT32 System, ergeben sich in etwa folgende Koordinaten, bzw. liest man folgende Höhen ab:
WEA1 Ost 482 907 Nord 5 620 188 282 m ü. NN
WEA2 Ost 482 864 Nord 5 620 572 266 m ü. NN
WEA3 Ost 482 757 Nord 5 620 928 257 m ü. NN
WEA4 Ost 483 809 Nord 5 620 633 245 m ü. NN
WEA5 Ost 483 291 Nord 5 620 792 262 m ü. NN
WEA6 Ost 483 088 Nord 5 621 127 265 m ü. NN
Damit wurden nach der am 10.11.2017 unter www.marblog.de beschriebenen Methode und wie anhand Excel-Tabelle (Anlage 2) im Detail nachvollziehbar, die angehängten Fotomontagen (FM1-FM6) für den Anlagentyp Vestas V136 mit 136 m-Rotor auf 166 m Turm erstellt. Mit 234 m Gesamthöhe sind diese noch etwas kleiner als die nunmehr geplante V150 mit 241 m Gesamthöhe. Je nachdem, für welchen Anlagentyp sich der Projektierer tatsächlich entscheidet, stellen die Fotomontagen also ggf. noch eine Untertreibung zu seinen Gunsten dar.
Anlagentyp, Vergütung und Auswirkungen
Bezüglich des Anlagentyps dürften die ersten zwei Stück Vestas V150 auf 166m Turm in Deutschland noch als Pilotanlagen eingestuft werden. Dies entbände sie von der Ausschreibungs-pflicht (§ 22 II 2 Nr. 3 EEG). Bei der letzten Ausschreibung im November 2017 wurden 61 Zuschläge zwischen 2,20 ct / KWh und 3,82 ct/KWh erteilt und 15 Gebote ausgeschlossen. Pilotanlagen dürfen ab Januar 2018 7,49 ct / KWh Anfangsvergütung über mindestens fünf Jahre und danach bis zu einer Gesamtdauer von 20 Jahren 4,17 ct / KWh Einspeisevergütung bzw. Marktprämie kassieren (lt. Energie-Agentur-NRW) auch bei über sechsstündig negativen Strompreisen (§ 51 III Nr. 3 EEG). Bei Inbetriebnahme in den Folgejahren richtet sich die Vergütung jeweils nach den Höchstzuschlägen im Vorjahr. Durch den Betrieb zweier von sechs WEA als Pilotanlagen lassen sich somit die Gesamteinnahmen um mindestens 10% aufbessern.
Durchstöbert man die Pressemeldungen von Vestas, wer wie viele Anlagen welchen Typs geordert hat, fällt auf, dass sich außer Deutschland offenbar niemand für diese sogenannten „Schwachwindanlagen“ interessiert. Die Markteinführung der V150 gab Vestas mit Pressemeldung vom 22.06.2017 bekannt, was immer das bedeutet. Ob überhaupt ein Prototyp steht und wenn ja, ob auf 125 m oder auf 166 m Turm, wurde bislang vom Unternehmen nicht beantwortet. Mithin könnte in Wolfshausen weltweit erstmalig ein Menschenversuch an den nicht einwilligungsfähigen Minderjährigen anlaufen, welche im 680 m entfernten Kreisjugendheim nächtigen (9000 im Jahr, 130-150 gleichzeitig) und direkt unter den Anlagen Hütten bauen, die Natur erkunden und künftig im Gelände wohl statt Räuber und Gendarm eher Windkraftprojektierer und Vogelschützer spielen und hoffentlich nicht Rotorblatt und Rotmilan. Wie solche Experimente ausgehen können, durfte man am 04.08.2017 ab 20h15 bestaunen (Abb. 4), als der Prototyp der nächstgrößeren Anlage V164-8.0 auf 140 m-Turm auf dem Testgelände im dänischen Osterild aus unklarer Ursache nahezu vollständig abfackelte. Gut geht es den Dänen und denen, die Dänen nahestehen. Die Störung der Nachtruhe von 360 Wolfshäusern nebst Gästen des Bellevue in 1000 m Abstand ist demgegenüber glatt geschenkt.
Sämtliche Vestas-Typen sind mit einem Getriebe ausgerüstet, welches mit etwa 1200 L Getriebeöl befüllt werden muss. Es sind zwar Öle verfügbar, welche frisch in Wassergefährdungsklasse 1 eingestuft werden. Infolge einer Fülle von Abnutzungsprodukten wird aber Altöl – z.B. nach 1 Jahr Betrieb – grundsätzlich als Wassergefährdungsklasse 3 eingestuft, wie es jeder Fahrschüler lernt. Schalöle von den Fundamentarbeiten und Auswaschungen von Chromaten aus dem Beton tragen das Ihrige zur Qualität des Trinkwassers bei. Anlagen 3, 5, 6 sind im Trinkwasserschutzgebiet geplant.
von Dr. med. Andreas Matusch, Am Hasenküppel 18a, 35041 Marburg, 23.12.2017
Abbildung 1:
Abbildung 2:
Abbildung 3:
WKA in WoRoBo Abb 3 Eigentumsverhältnisse (PDF)
Abbildung 4:
Abbildung 5:
Abbildung 6:
Abbildung 7:
Abbildung 8:
Abbildung 9:
Abbildung 10
Anlage:
Hallo Herr Matusch,
von den ca.80 Personen bei der Veranstaltung am 19.12.2017 waren
ca. 70 Personen aus Wolfshausen.
In die Listen gegen die WKA haben sich 58 Personen eingetragen also
ca. 82%.
Was einer der kompetentesten Forstwissenschaftler und vormals Abteilungsleiter Forsten im Ministerium in Wiesbaden, Ministerial-Dir. a. D. Dr. Dertz zum Windrad-Wahn im Wald schreibt, ist hier nachzulesen:
https://www.myheimat.de/marburg/natur/windraeder-im-wald-naturzerstoerung-statt-naturerhalt-d2836032.html